Sich in diesen Zeiten mit neuen politischen Ideen zu beschäftigen, ist wichtig, lässt aber den entscheidenden Aspekt der Entstehung politischer Macht völlig außen vor. Zwar ist "Geld regiert die Welt" eine Binsenweisheit, aber welchen Einfluss unser Geldsystem, in dem wir leben, unsere Verhältnisse massiv beeinflusst, dürfte nur den wenigsten Menschen annähernd klar sein. Die Mehrheit der Bevölkerung glaubt, dass die Politik die Richtung vorgibt, aber dieser Glaube entsteht ähnlich dem in der Religion - durch ständige Wiederholungen. Falsch ist es trotzdem.

Es ist die Kontrolle über das Geld, die Macht verleiht. Und diese Macht steuert die Regierungen der Welt, denn wer über die Aktienanteile die Konzerne und die Medien kontrolliert, wer den Kurs der Zentralbanken bestimmen kann, der besitzt mehr Macht als alle gewählten Politiker zusammen. Nicht umsonst ist der größte Vermögensverwalter der Welt -Blackrock- offizieller Berater der EZB. 

Wer kennt den Werbespruch der Finanzindustrie nicht… "Lassen Sie Ihr Geld für sich arbeiten"? 

Tatsache ist jedoch, dass Geld gar nicht arbeiten kann. Nur Menschen können arbeiten. Der Kabarettist Volker Pispers hat dazu einmal gesagt: „Versuchen Sie mal, einem 50 €-Schein eine Schippe in die Hand zu drücken…“ 

Nach der Frage, wie Geld zu mehr Geld wird, dürfte das Wissen um die Fortpflanzung von Lebewesen an seine Grenzen stoßen. Geld ist nichts weiter als bedrucktes Papier, ausgestattet mit dem Glauben, dass man sich morgen dafür noch etwas kaufen kann. Es kann sich nicht von sich aus vermehren. Wie macht man also aus zwei Geldscheinen mehr Geldscheine? Aus einem kleinen Vermögen ein großes?

Antwort: Durch Zinsen. Nur - wie entstehen Zinsen?

Zinsen entstehen, wenn eine Person oder eine Bank Geld verleiht und der Schuldner dann bei der Rückzahlung den geliehenen Geldbetrag plus Zinsen zurückzahlen muss.


Beispiel Rentensparplan mit Garantie:

Ein Kunde spart 100 € monatlich für ein späteres Ziel ein. Er erwartet einen garantierten Zins von z.B. 2 %, die Kapitalanlagegesellschaft will etwas verdienen (z.B. 2%) und muss die Kosten decken (z.B. 2%), also muss irgendwo auf der Welt jemand gefunden werden, der sich das Geld des Kunden leiht und darauf 6 % Zins zahlt. 

Im nächsten Jahr legt der Kunde seine 102 € (inkl. seiner Zinsen aus dem Vorjahr) erneut an und will wieder 2% Zinsen, der Versicherer hat wieder Kosten und will Gewinn usw., das heißt, die Summe, auf die Zinsen gezahlt werden müssen, wächst von Jahr zu Jahr. 

Dies nennt sich Zinseszinseffekt.

Dieser Effekt gilt für sämtliche Versicherer und Rentenkassen, Pensionsfonds etc., also auf jede Form der festverzinslichen Anlage weltweit.

Mit jedem Jahr, indem das Vermögen der Anleger wächst, müssen also gleichermaßen auch die Schulden in der Welt wachsen. Wer soll denn sonst den Anlegern Zinsen zahlen, wenn sich keiner mehr Geld leiht?

Hohe Zinsen zahlt in der Regel derjenige, dessen Ausfallrisiko höher ist. Der es also ohnehin bereits schwer hat, Geld zu erwirtschaften. Deshalb muss Deutschland seinen Anlegern weniger Zinsen für seine Staatsschulden (Bundesanleihen) zahlen als z.B. Argentinien, weil das Risiko hoch ist, dass das Land als Schuldner komplett ausfällt.

Im Umkehrschluss bedeutet es aber auch, dass Vermögen und Schulden gleichermaßen wachsen und die Summe, auf die jedes Jahr in der Realwirtschaft von arbeitenden Menschen Zinsen erwirtschaftet werden müssen, steigt jährlich. 

Das bedeutet exponentielles Wachstum. Bei dem, der Geld verleiht, wächst das Vermögen und bei dem der Schulden hat, oft die Schulden. Irgendwann sind die Schulden zu hoch, als dass sich die Zinsen dafür noch erwirtschaften lassen. 

Jeder Firmeninhaber eines produzierenden Gewerbes wird bestätigen, dass dauerhaft jährlich 6% in der Realwirtschaft nicht machbar sind.

Die Schulden in der Welt sind so hoch wie niemals zuvor. Deshalb bringt auch jede kleine Zinserhöhung der Zentralbanken das Risiko von Staats- und Unternehmenspleiten mit sich. 

Abhilfe schafft nur eine hohe Inflation, die die Schulden der Staaten, aber auch das Vermögen insbesondere der Mittelschicht entwertet und eine anschließende Währungsreform. 

Alles auf null und im gleichen System von vorne beginnen? Die letzte Währungsreform hat gezeigt, dass die privaten Schulden weniger günstig behandelt wurden als die Schulden des Staates.

Zweite Lösung - ein Krieg, infolgedessen sich wieder gigantische Wachstumschancen durch Wiederaufbau ergeben? Aber auch das sind keine schönen Aussichten für die Bevölkerung.

Im übrigen finden Regierungen Inflation nicht so tragisch, spült ihnen doch die mit den hohen Preisen in Zusammenhang stehende Mehrwertsteuer deutlich mehr Geld in die klammen Kassen. Der Nachteil an hoher Inflation ist nur, dass die unzufriedene Bevölkerung etwas herumnörgelt. Schmerzstillend wirken da neue Schulden zur Beruhigung und eine 10%ige Diätenerhöhung der Abgeordneten als Inflationsausgleich.

Nebenbei: In den großen Weltreligionen wie im Islam und im Judentum ist der Zins verboten. Das war auch bis zum Jahr 1822 im Christentum so. Mit dem Wissen um das exponentielle Wachstum von Vermögen und Schulden bekommt man eine Ahnung, warum dies so ist.

Die Bevölkerung braucht ein Verständnis über unser Geldsystem, denn die politische Macht, die aus übergroßen Vermögen entsteht, ist nur mit der Kenntnis über die Entstehung jener Vermögen zu begrenzen.

Nur so wird echte Demokratie je möglich sein.

Demnächst folgt ein Artikel zum Thema Geldschöpfung durch Kreditvergabe.

Wer sich zum Thema Geld und Geldsystem weiterbilden möchte, dem sind u.a. die Autoren 

Franz Hörrmann, Christoph Pfluger, Stephen Goodson, Saifedean Ammous zu empfehlen.

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Bildquelle: Pexels (cottonbro studio)