Trotzdem brauchen wir Konzepte für den Moment, an dem wir mit unserer zornigen Geduld tatsächlich siegen werden - wenn wir das nicht tun, ist die Chance, dass die nächste Clique das Feld besetzt und ihre eigenen Interessen durchsetzen wird, groß. Das Zeitfenster für unsere Chance dazu ist klein - und das enge Zeitfenster war auch das große Problem der 89er-"Revolution", die eigentlich gar keine war. Denn als die Mauer weg war, wollten alle nur noch die D-Mark haben und mit dem Trabbi an die Adria fahren. Kaum einer, auf jeden Fall viel zu wenige, hat sich um eine Neugestaltung des maroden Staatswesens gekümmert und so konnten die Sieger aus dem Westen den Leichnam Ex-DDR in aller Ruhe ausweiden. Und dabei hätte es ein wirklicher Neuanfang werden können.

Wir brauchen nach dem Zusammenbruch keine Konzepte für übermorgen, sondern ad hoc umsetzbare und tragfähige Konstrukte, die auf dem aufbauen, was uns das System bereits liefert und auf denen wir aufbauen können. Für eine echte Revolution sehe ich keine Chancen, so etwas ging (fast) immer schief. Also müssen wir letztlich doch zurück zur repräsentativen Demokratie, denn wir haben im Moment nichts anderes, auch wenn hier einige Grenzen gesprengt wurden. Aber den Weg zurück zu dem, was einmal hatten, nämlich zu einer repräsentativen Demokratie im besten Sinn und zu den Grundfesten eines an sich guten Grundgesetzes sehe ich vorerst als die gangbarste Lösung an, auch wenn wir eigentlich mit der Basisdemokratie eine Alternative anstreben.

Ich weiß, dass uns die Defizite der Vergangenheit das beschert haben, was uns aktuell geboten wird. Und weil bei der Umsetzung der repräsentativen Demokratie einiges schief lief, sind wir in das Desaster geraten, das wir nun erleben. Aber wir haben weder eine belastbare, tragfähige und ausgereifte (basisdemokratische) Utopie, noch sind wir in der Lage, kurz- oder mittelfristig die praktische Lösungen anzubieten. Nichtsdestotrotz bleibt das langfristige Ziel ein Politikansatz, der die Menschen besser in Entscheidungsprozesse einbindet.


Demokratie, Holokratie, Soziokratie und Dreigliederung.

Sich beispielsweise Gedanken um liquide Demokratie, Holokratie oder Soziokratie, vielleicht um Dreigliedrigkeit zu machen, ist berechtigt, aber daraus bildet sich kein Konzept für die Zukunft direkt nach dem Zusammenbruch. Ich sehe es eher als ein langfristiges Ziel an, sich diesbezüglich zu verständigen und auf Anhieb sagt mir persönlich die Idee einer liquiden Demokratie am Ehesten zu – zumal ich von dieser Idee erwarte, dass sich die (zunehmend rudimentär vorhandene) repräsentative Demokratie am einfachsten in die Richtung einer liquiden Demokratie entwickeln lässt (die Schweiz hat einige Ansätze dazu, die Piratenpartei hatte diese politische Teilhabeform einst relativ differenziert ausgearbeitet).

Ansätze der Holokratie lassen sich vielleicht am Ehesten in kleinräumigen Netzwerken und Arbeitsbeziehungen umsetzen, hinsichtlich der Ideen der Soziokratie oder auch der Dreigliedrigkeit sehe ich momentan keine Ansatzpunkte, wie das bestehende System ohne erhebliche gesellschaftliche Brüche kurz- oder auch mittelfristig dorthin entwickelt werden soll. Nun gut, meine persönliche Einschätzung, andere mögen das anders sehen, aber dann sollen sie bitte mit konkret umsetzbaren Ideen aufwarten - und die vermisse ich.


Breiter Handlungsbedarf.

Vor allem brauchen wir konkrete praktische Konzepte. Das reicht von der Sicherstellung der Energieversorgung (incl. Rücknahme der aktuellen Kraftwerksabschaltungen) über die Sicherstellung des Bargelds, die Rückkehr zu einem angemessenen Datenschutz und und und. Das sind alles ganz praktisch-politische Themen, von denen ein Großteil direkt auf der kommunalen oder zumindest regionalen Ebene angegangen werden kann und muss. Wir müssen vermeiden, dass es demnächst im schlimmsten Fall durch Wegbrechen von Lieferketten, durch Zusammenbruch von Versorgungsstrukturen und durch erwartbar deutlich verschlechterter Einkommensverhältnisse zu einer Hungerkrise kommt. Wir müssen aber auch vermeiden, dass Deutschland nach dem Zusammenbruch in eine Schockstarre übergeht und die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Strukturen mehr oder minder dauerhaft in sich zusammenfallen. Wenn es tatsächlich dazu kommen sollte, haben für die nächsten 200 Jahre verloren - dann ist hier Mittelalter, wenn nicht sogar Steinzeit angesagt.


Wirtschafts- und Gesundheitswesen.

Die nächste Stufe nach der Verhinderung des drohenden gesellschaftlichen Zusammenbruchs wird sein, dass wir das wirtschaftliche Leben und auch die Gesundheitsversorgung nicht nur reorganisieren, sondern schlichtweg neu denken müssen. Das sind Dinge, die sich nicht ad hoc entscheiden und anpassen lassen, schon gar nicht in der Not zusammenbrechender Strukturen, aber wir müssen neue und langfristig gangbare Wege diskutieren, auch wenn es primär nur darum geht, dass die Funktionsfähigkeit des Wirtschaftslebens und des Gesundheitssystems wieder sichergestellt wird.


Finanzsystem.

Wir müssen unser Finanzsystem reorganisieren, müssen weg von dem Irrweg des Fiatgelds und vielleicht geht das am Besten mit Hilfe der ergänzenden Schaffung von Regionalwährungen um das Wirtschaftsleben im direkten Umfeld um insbesondere die kleinen und mittleren Unternehmen in der Region zu stärken. Das internationale Wirtschaftsleben muss neu gedacht werden - hier gehören insbesondere unsere Verflechtungen mit China, dem größten Profiteur der Corona-Krise, auf den Prüfstand.


Bildungssystem.

Wir brauchen ein neues Bildungssystem, eines das nicht als vorweggenommene Abrichtung für ein nur auf Effizienz ausgerichtetes Beruf- und Wirtschaftsleben gedacht ist, sondern eines, das tatsächlich Bildung im klassischen Sinn vermittelt. Das Versagen großer Teile der organisierten Lehrerschaft in der aktuellen Krise macht einen breit angelegten Austausch derjenigen nötig, die bislang ihrer Aufgabe, Bildung zu vermitteln nicht nachgekommen sind, sondern sich lieber hinter der Angst vor einer so nie vorhandenen Pandemie versteckt und sinnvollen Schulunterricht verhindert haben.


Rechtssystem.

Unser Rechtssystem sehe ich, auch wenn es aktuell reichlich missbraucht wurde, als nur in Grenzen reformbedürftig an. Unser Grundgesetz war und ist eine gute Grundlegung und wir müssen dorthin wieder zurück, für was unser Grundgesetz einst gedacht war. So schlecht war es nicht - wenn man mal von dem Desaster der kompletten durch Korruption getragenen Fehlbesetzung des Bundesverfassungsgerichts einmal absieht. Und wir müssen die Verlagerung von Entscheidungskomptenzen der Judikative zur Exekutive, die sich am deutlichsten an einem völlig verfehlten Infektionsschutzgesetz zeigt, rückgängig machen.


Medienkultur.

Einer der wichtigsten Knackpunkte wird sein, eine neue Medienkultur zu etablieren und die Medienhoheit neu zu denken und zu organisieren. Die Medien, insbesondere die Leitmedien waren der Haupttreiber des Corona-Irrsinns und sie gehören aus den Abhängigkeiten, in denen sie jetzt stecken, herausgenommen. Das sehe ich als ein extrem schwierig zu lösendes Problem an, wenn man gleichzeitig die Freiheit der Medien erhalten will. Aber es kann nicht sein, dass Leitmedien zu Auftragsschreibern einiger weniger Superreicher degenerieren und sich mit den Spenden eines bekannten "Philanthropen" kaufen lassen können.


Politisches System.

Die Organe unseres politischen Systems müssen von ihren materiellen Abhängigkeiten befreit werden. Jeglicher Lobbyismus muss in seine Schranken verwiesen werde, sowohl Legislative, Judikative und Exekutive müssen wieder zur Freiheit ihrer Entscheidungen zurückkehren können. Auch hier kann es nicht sein, dass sich selbst Behörden mit dem Geld einiger Weniger kaufen lassen können.


Die Akteure des Irrsinns zur Rechenschaft ziehen.

Wir müssen mit den Akteuren, die uns das Desaster eingebrockt haben, aufräumen. D.h. nicht, dass wir Guillotinen bauen dürfen, aber wir müssen die Hauptakteure zur Verantwortung ziehen und einer dann hoffentlich wieder funktionsfähigen Justiz zuführen. Die Hintermänner dieser Akteure müssen identifiziert werden, sie müssen ebenfalls sanktioniert werden und sie müssen ihrer Einflussnahmemöglichkeiten auf die Gestaltung des gesellschaftlichen und politischen Lebens beraubt werden.

Das alles geht nicht in wenigen Monaten, das wird uns jahre- wenn nicht jahrzehntelang beschäftigen. Mit ein paar Montagsspaziergängen (so nötig die momentan auch sind, weil sie weitgehend unsere einzige Waffe im Kampf gegen eine korrupte Clique sind) wird es nicht getan sein. Wir werden den langen und mühsamen Weg kleinteiliger politischer Arbeit gehen müssen. Wenn wir dazu nicht bereit sind, kommen wir vom Regen in die Traufe.

Packen wir es an!

"Disclaimer": Das ist eine Einzelmeinung von Michael Malzahn, Schatzmeister KV Heidelberg und stellt nicht unbedingt die Meinung der Basispartei dar.